Friedrichshafen – Kai Diekmann, seit 2001 Chefredakteur der BILD-Zeitung, lotet gerne seine beziehungsweise die Grenzen aus – und das beruflich sowie privat. Der 47-jährige Journalist hat in seiner Laufbahn schon beinahe alles erlebt und brachte es mit seinem Medienorgan „BILD“ immer sehr deutlich an den Mann oder die Frau. Auch bei seinem Besuch in Friedrichshafen, im Rahmen der „Bürger Universität“ an der Zeppelin Universität, bestimmte der taz-Teilhaber den Gesprächsstoff.
„In der Redaktion kann jeder das machen, was ich sage“, erläuterte Diekmann, der im oberschwäbischen Ravensburg geboren wurde und im westfälischen Bielefeld aufwuchs. Dabei verzog er die Mundwinkel in der Mitte seines akkurat gestutzten Kinnbartes zu einem leichten Schmunzeln, zupfte an seinem Cord-Sakko und richtete sich auf. Im Verlauf des einstündigen Gesprächs gerieten ZU-Präsident Professor Dr. Stephan A. Jansen und Co-Moderatorin Nina Hillekum ungewollt zu Statisten.
Der vierfache Familienvater, der mit Autorin und Ex-BILD-Kolumnistin Katja Kessler (Archivfoto: dpa) verheiratet ist, erzählt vieles und dabei doch nicht alles. „Mister BILD“ beherrscht das Spiel des Interesse weckenden Anfütterns und ist doch überraschend kurzzeitig sprachlos, wenn er vom Gastgeber gefragt wird, welche Schlagzeile ihm gerne selbst eingefallen wäre. „Es ist ein Mädchen“ (Wahl Bundeskanzlerin Merkel) oder „Oh Gott“ (Papstwahl Ratzinger), antwortet Diekmann und bringt Beispiele der taz.
Das „ganz genau hinschauen“ sei ohnehin etwas, das in der Natur des Menschen liege, erläuterte er. „Wissen Sie, was 1952 die Lieblingsbeschäftigung der Menschen war?“, fragte er in Richtung der 700 Gäste im bis auf den letzten Platz besetzten Foyer der ZU. „Na, aus dem Fenster schauen“, nahm er die Lösung vorweg und stützte dabei nachdenklich sein Kinn. So ähnlich mag es in der Berliner BILD-Zentrale gewesen sein, als Kai Diekmann und seine Redakteure die Idee des „BILD Leserreporters“ entwarfen.
„Wir können nicht überall sein“, führte er aus. „Es ist erstaunlich in welchen Ecken Deutschlands wir bisher nicht präsent waren.“ Viel erstaunlicher ist, dass die „BILD“ trotzdem immer als Erster „vor Ort“ ist. 20 Redaktionen deutschlandweit, 36 verschiedene Lokalausgaben, zwölf Millionen Leser täglich – Zahlen, die beeindrucken. Und auch online ist das Medium, das mal „Revolverblatt“ geschimpft, aber auch gerne „Leitmedium“ genannt wird, bei den „Klicks“ ganz vorne mit dabei.
Zurück zum „beeindrucken“. Das hatte der Mann, dessen stets perfekt gegeltes Haar längst zu seinem Markenzeichen wurde, auch im familiären Skiurlaub vor. „200 Meter schwarze Piste, weiter bin ich nicht gekommen“, scherzt er mit leicht verzogener Miene. Trotz Kreuzbandriss und Meniskusverletzung humpelte er an Krücken durch die Universität am See. Und das schon morgens, als er in einer Vorlesung angeregt mit den Studierenden diskutierte. 15 von ihnen lud er nach Berlin ein, zu einer typischen Redaktionskonferenz im Axel-Springer-Hochhaus im Stadtteil Kreuzberg.
Man darf gespannt sein, welche Vorschläge die Studierenden bringen. Der Chef, der gerne mal „Ich bin die BILD“ sagt, dürfte ohnehin das letzte Wort haben. Wie auch an der ZU oder in der „Causa Wulff“, als er dessen Staatssekretär umgehend zurückrief. Kai Diekmann weilte zum Zeitpunkt des Wulff’schen Anrufs mit dem Künstler Anselm Kiefer in New York. Kiefer bekam dort die Leo-Baeck-Medaille überreicht. Und Diekmann? Der hatte sein Telefon im Hotelzimmer gelassen und war auch gestern nicht bereit, seine Mailbox abzuspielen. Er ist und bleibt eben ein waschechter Medienprofi.
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